Vor mehr als 500 Jahren erstreckte sich zu beiden Seiten der „Bocka“ auf einer Hochfläche von über 700 Meter eine finstere, undurchdringliche Wildnis, das Moorgebiet „Kühnhayd“. In diesem Teil des „Dunkelwaldes“, Miriquidi genannt, einem schaurigen Winkel des Urwaldes, bestockt von Moorbirken, Moorkiefern und Fichten, vom Sturm entwurzelte, von Fäulnis zerfressene, mit Moos überwucherte Bäume, umgeben von einem sumpfig-muffigen Modergeruch und den Lauten längst ausgestorbener Tiere, war die „Kühnhayd“ eine von Menschen gemiedene, gefahrvolle Wildnis. Inwiefern tatsächlich im Jahre 1040/41 Kaiser Heinrich III. bei seinem Kriegszug gegen den böhmischen Kaiser Břzetislav, der sich im oberen Bilatal verschanzt hatte, auf unbekanntem Weg über die „Kühnhayd“ kam, beschreibt W. Melzer in seiner Chronik. Er kommt zu dem Schluss, aufgrund eines im Jahre 1878 im Moor der Pfarrheide gefundenen Steinbildnisses, auf dem die Jahreszahl 1041 entziffert werden konnte, dass es so gewesen sein müsste. Demnach möchte man davon ausgehen, dass der Kaiser auf dem Marsch, mit seinem Heer von Marienberg kommend, über die „Hohle“ des alten Görkauer Weges hier die Grenze nach Böhmen überschritt.
Aufzeichnungen darüber, wann die Erschließung dieser Wildnis an der „Bocka“, „uff der Kühnhayd“ begann und woher die ersten Ansiedler kamen, gibt es nicht. Es ist anzunehmen, dass es sie von Reitzenhain hierherführte, denn die Passstraße von Reitzenhain gab es nach einem Erlass des Königs Wenzel von Böhmen schon 1401 und wahrscheinlich auch den Gasthof und das Gut. Eine Vermutung bleibt es, ob schon zur Zeit, als Ullersdorf im Schwarzwassertal bestand, auch hier einzelne Waldhütten existierten.
Als älteste Gründungen „uff der Kühnhayd“ werden die „alte Mühle“, der „Hof“ sowie eine Ausspanne (Schenke) und die Schmiede genannt. Mit Sicherheit kann man davon ausgehen, dass es schon vor ihrer Gründung den Weg gegeben hat, der heute als „Hohle“ oder auch „Görkauer Straße“ genannt wird. Dieser Weg führte über'Wolkenstein / Rückerswalde (später Marienberg) / Wüstenschlette / Gelobtland von hier abfallend zur Rätzensbrettmühle, hoch die alte Hohle und weiter über eine Furt bei der „alten Mühle“ ins böhmische Land. In der Nähe des Kühnhaidner Gutes zweigte ein Weg nach Süden ab. Er verlief über den Teichdamm, den heutigen Platz, überschritt den Stinkenbach bei der „steinernen Brücke“, bog oberhalb des „Wildshauses“ links ins Tal ab, um weiter in Richtung Satzung / Ulmbach die Grenze nach Böhmen zu überschreiten. Das war auch eine Zeit lang die einzige Verbindung, um von Marienberg nach Reitzenhain zu gelangen, wie das 1533 aus einem Schreiben von Herzog Moritz von Sachsen an den damaligen Besitzer von „Kühnhayd“, Jacob von Herstall hervorgeht, indem er ihn aufforderte sich mit ihm über den Verlauf der Straße von Marienberg nach Komotau zu verständigen. Auch noch nach der Gründung von Marienberg im Jahre 1521 soll die Verbindung nach Reitzenhain nur über die „Kühnhayd“ gegangen sein. Die „Alte Görkauer“ und der Weg nach Reitzenhain waren eine Zeitlang für die ersten Siedler „uff der Kühnhayd“ die einzige Verbindung nach außen. Hier finden sich auch die ersten Ansiedlungen. Sie verliefen entlang der „Alten Görkauer“, von den „Vier Höfen“ zur Schenke und Mühle sowie entlang des Reitzenhainer Weges.
Zunächst war „Kühnhayd“ kein Dorf, sondern ein Mannlehen. Erste Erwähnungen von der Existenz eines Gutes führen in die Anfangsjahre des 16. Jahrhunderts. Laut Erbbuch des Amtes Wolkenstein wird das Lehngut „uff der Kühnhayd“ 1534 Frau Catarina Polner, Ehefrau des Peter Polner aus Marienberg, belehnt. In einer Aktie über den Besitzwechsel findet sich später: „Wir Moritz Herzog von Sachsen … tun kunt unserem lieben getreuen Christoph Pucher das Gut oder Forwerg auf der kienheide, so hervor auch unser lieber getreuer Jacob von Herstall Erblichen besessen und er demselbigen abgekauft und zwar vor uns aufgelassen, samt allen zugehörigen Scheuern und Waldgebäuden, soweit es in seinen Rainen begrifen usw. … Torgau, den 24. Sept. 1548“. Die hier erwähnten Waldgebäude könnten die Wohnstätten der Waldarbeiter, Köhler, Pechsieder und Gutarbeiter sowie Unterstände für das weidende Vieh gewesen sein. In diese Zeit fällt auch die Entstehung der Dörfer Kienhaid, Natschung und Kallich im benachbarten Böhmen. Ein vorrangiger Erwerbszweig war in diesen Jahren die Fischerei in der Schwarzen Pockau, wie man aus späteren fischereirechtlichen Fragen schließen kann. Nach Christoph Pucher übernahm 1555 Ernst Steinhart aus Marienberg das Gut als Erbgut. Von ihm kaufte es 1587 ein Marienberger Christoph Postel. Nach seinem Tod 1592 übernahm 1593 Andreas Hausmann das Gut mit seinen Besitzungen.
Die große Nachfrage nach Eisen in diesen Jahren bewog ihn ein Eisenwerk, bestehend aus einem Hochofen und zwei Blech-Hammerhütten zu errichten. Für die Hammerschmiede entstanden die kleinen Häuser am Platz. Ansiedler kamen von auswärts und Kühnhaide erfuhr einen bedeutenden Bevölkerungszuwachs.
Mit Caspar von Berbisdorf ging ein weiterer Aufschwung des Dorfes einher. Er kaufte 1603 das Lehngut „uf der Kühnhayd“. Kurfürst Christian II. erhebt es zum Rittergut und überträgt Caspar von Berbisdorf, Oberaufseher der Muldaischen und Erzgebirgischen Flöße, die Erbgerichtsbarkeit über das Dorf. Zu dieser Zeit befanden sich bereits 20 Häuser auf der Flur. Darunter der Gasthof, die Gutsgebäude, die Schmiede, die kleinen Häuser am Platz, die „Vierhöfe“ und die Gebäude des Eisenwerkes. Weitere Häuser entstanden an der Görkauer Straße, im Mitteldorf, am Hofteich, in der Ratengasse, an der Brückenstraße und vor der Herrenheide.
Von den Ureinwohnern wird ein Lucas Lindner genannt, der 1574 nach Rückerswalde zu Grabe getragen wurde. Später sind hinzugekommen:
- Thomas Ramm aus Pobershau, getraut 1587 in Zöblitz, seit 1607 in Kühnhaide, hier gestorben 1614.
- Melchior Schmidt aus Sosa, getraut 1599 in Zöblitz, seit 1607 in Kühnhaide (wahrscheinlich Schenkwirt), gestorben 1627.
- Valentin Weigelt, bis 1634 Richter in Kühnhaide,
- Hans Helmert, ein Müller aus Lippersdorf, getraut 1620 in Kühnhaide.
- Michel Müller aus Lippersdorf, getraut 1616 in Kühnhaide.
Weiter folgen die Hänel, die Richter und die Seifert. Hinzu kommen 1625 die Freier, 1635 die Fleischer, die Hunger und Böttcher 1640, die Arnold 1642, die Schreyer 1643, die Langer 1670, die Siegert 1680 und die Bräuer kurz vor 1700.
Friedrich Gottlob Keller, der Erfinder des Holzschliffs für die Papierherstellung, pachtete 1845 die Papiermühle und arbeitete hier bis 1853 an der technischen Verwirklichung seiner Erfindung. Ein Blick zurück führt uns in eine Zeit, wo die Menschen mit großen Mühen dieses raue Gebiet der „Künhayd“ für den Broterwerb nutzbar machten. Als Holzfäller, Köhler, Torfstecher, Holzflößer, Land- oder Eisenwerksarbeiter schufen sie in harter Arbeit die Voraussetzungen für das Leben ihrer Nachfahren. So entwickelte sich Kühnhaide zu einer Streusiedlung, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts (1875, 1890) die größte Bevölkerungszahl mit 1362 Einwohner erreichte.